Was bedeutet Dominanz
Dominanz ist vom lateinischen Wort dominatio abgeleitet und bedeutet Herrschaft. Grundsätzlich bedeutet Herrschaft erst mal nichts Schlechtes. Doch wir setzten Herrschaft schnell gleich mit militantem Gehorsam und grausamer Diktatur. Es ist nicht verwunderlich, dass gerade wir Deutschen eine enorm negative Assoziation zu Diktatur und Militär haben. Aber Herrschaft bedeutet nur dann etwas Negatives, wenn die Bedürfnisse derjenigen nicht erfüllt werden, über die Herrschaft ausgeübt wird.
Natürlich bedeutet Herrschaft viel Macht. Aber wenn Macht von Dauer sein soll, ist mit ihr auch viel Verantwortung verbunden. Herrscht man verantwortungsvoll, ist es für jeden über den geherrscht wird ein Vorteil. Denn der Herrschende trifft Entscheidungen die dem Wohl aller zugutekommen.
Werden die Bedürfnisse jedes Einzelnen erfüllt, wird auch jeder die Herrschaft anerkennen und sich gerne unterordnen. Erst dann wird die Herrschaft dauerhaft Bestand haben. Zur Dominanz gehört also zwingend, dass es nicht nur jemanden gibt, der Herrschaft ausübt, sondern auch den, der die Herrschaft anerkennt. Und genau hier gibt es die meisten Missverständnisse, nicht nur in der Hundeerziehung. Wird Unterordnung mit Gewalt eingefordert, wird sie keinen Bestand haben. Erst wenn Unterordnung aus freien Stücken erfolgt, findet sie auch tatsächlich statt.
Auch unter Hunden gibt es Dominanz. Leittiere herrschen zum Beispiel über das Rudel. Meist sogar als Diktatur. Wenn Sie gute Herrscher sind, werden sie es auch ein Leben lang bleiben. Sie sind dann den anderen Tieren gegenüber dominant. Aber nicht weil sie es einfordern, sondern weil es das Rudel so will. Alle anderen orientieren sich an den Entscheidungen des Leittieres, weil sie ihm vertrauen. Würde ein Leittier nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht sein und die Bedürfnisse des Rudels nicht erfüllen können, würde es wahrscheinlich von der Meute getötet werden. In der Natur gibt es keine Dominanz, die mit Gewalt durchgesetzt wird, folglich hat Gewalt auch nichts in der Erziehung zu suchen. Der biologische Zweck von Dominanz ist, die Überlebenschancen aller zu erhöhen und nicht nur die der Leittiere.
Unter Hunden gibt es verschiedene Formen von Dominanz.
Formelle Dominanz
Die formelle Dominanz wird durch den jeweiligen Rang des Tieres innerhalb des Rudels bestimmt. Diese Art der Dominanz existiert permanent und wird auch dauerhaft von allen rangniederen Tieren anerkannt. Die formelle Dominanz existiert nur innerhalb des eigenen Rudels und spielt daher bei den täglichen Hundebegegnungen außerhalb des eigenen Sozialverbundes weniger eine Rolle. Hier existiert Dominanz nur situativ.
Situative Dominanz
Es gibt keinen Hund, der in jeder Situation dominant ist. Dominanz unter fremden Hunden existiert nicht permanent. Sie ist immer nur an eine bestimmte Situation gebunden.
Bei einer Begegnung von Hunden während des Spazierganges handelt es sich meist immer um eine Konfrontation rudelfremder Tiere, die in erster Linie Konkurrenten sind. Auch wenn die Hunde sich kennen, bleiben Sie Konkurrenten. Sie haben keine klar definierte dauerhafte Beziehung zueinander wie Tiere innerhalb eines Familienverbundes, weshalb es auch keine formelle Dominanz geben kann.
Hat ein Hund einmal die Herrschaft über eine Ressource, liegt es in seiner Natur, diesen Besitz auch zu schützen. Je größer sein Besitzanspruch ist, umso mehr strebt er danach, Konkurrenten zu beherrschen, die eine Gefahr für seine Ressourcen darstellen. Um das zu tun, wird er versuchen, gegenüber anderen dominant zu sein, sie zu beherrschen und den Anspruch auf seine Ressourcen durchzusetzen. Stellt sein Gegenüber jedoch keine Bedrohung für seine Ressourcen dar, wird er auch keinen Grund sehen, den anderen dominieren zu wollen.
Um Herrschaft auszuüben, muss es immer etwas zu beherrschen geben. Kein Hund will einen anderen dominieren ohne Grund. Entweder will er, dass der andere seinen Herrschaftsanspruch auf das Revier anerkennt oder seinen Besitzanspruch zum Beispiel an einer Beute oder an Nahrung. Haben beide Hunde keinen eignen Besitz, wird auch keiner den jeweils anderen dominieren wollen. Im Idealfall herrscht der Mensch über sämtlichen Besitz und nimmt dem Hund damit jede Motivation, mit anderen in Konkurrenz zu treten (s. „Das Alpha-Projekt“, R. Labjon, 2011).
Es liegt nicht in der Natur eines Hundes, ständig andere zur Unterordnung zu zwingen. Das kann auf die Dauer anstrengend sein. Vielmehr zeigen unterordnungsbereite Tiere, die Dominanz anerkennen, frühzeitig und freiwillig Signale von Unterwürfigkeit. So werden innerhalb, aber auch außerhalb eines Rudels Beschädigungskämpfe weitestgehend vermieden.
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