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vererbte Rudelstellung

vererbte RudelstellungBeim Auffinden von Lösungsansätzen für Problemverhalten unserer Hunde ist der gemeine Hundehalter von Natur aus sehr kreativ. Sei es durch das Beschreiten von spirituellen Erkenntniswegen, durch das Auffinden von störenden Wasseradern oder durch das Pendel, was den Weg ins Unbewusste des Hundes öffnen soll. Es gibt beinahe nichts was es in der Hundehaltung nicht gibt. Nicht neu, aber gerade aktuell ist die Theorie von der vererbten Rudelstellung. Obwohl Theorie nicht ganz richtig ist, denn die gibt es eigentlich nicht. Es ist mehr eine Annahme die bislang ohne jede wissenschaftliche Grundlage auskommt.

Das Wissen über die vererbte Rudelstellung soll mündlich von Karl Werner überliefert worden sein. Nach Werners Ansatz existieren in einem Rudel sieben Rudelstellungen, die in Leithunde und Arbeitshunde aufgeteilt sind. Jeder Rudelstellung werden bestimmte Verhaltensweisen zugeordnet. Sämtliches Problemverhalten wird ausschließlich mit der Rudelstellung der Hunde begründet.

Auch wenn in den wenigsten Haushalten heute sieben Hunde leben, so sollen sich die einzelnen Hunde nach ihren jeweils zugehörigen Arbeits- oder Leittieren sehnen. Ein Arbeits- beziehungsweise Bindehund soll sich demnach nur schwer als Einzelhund halten lassen und Leithunde sollen grundsätzlich schwer bis gar nicht erziehbar sein.

Die Grundaussage der Anhänger der vererbten Rudelstellung ist, dass die Tiere bei einer fehlerhaften Zusammensetzung leiden würden und dass das bestehende Elend umgehend beseitigt werden müsse indem man sein heimisches Rudel mit Hunden der korrekten Rudelstellung besetzt. Die Folge für die Halter sind zunehmende Vermittlungsaktivitäten. So kommt es vor, dass glückliche Hunde abgegeben werden, weil jemand in ihnen eine problematische Rudelstellung erkannt haben will.

Deshalb sollte gründlich hinterfragt werden, was hinter diesem Ansatz der vererbten Rudelstellung eigentlich steckt.

Vererbung bezeichnet in der Biologie die direkte Übertragung der Eigenschaften von Lebewesen auf ihre Nachkommen, soweit die Informationen zur Ausprägung dieser Eigenschaften genetisch festgelegt sind. Die Übertragung von Fähigkeiten und Kenntnissen durch Lernen ist hiervon zu unterscheiden und wird nicht als Vererbung bezeichnet. Insofern sollten wir klären, ob eine Rudelstellung über das Genom auf die Nachkommen übertragen wird oder ob es erlernte Fähigkeiten sind, die über die spätere Rangstellung eines Hundes entscheiden.

In der freien Natur ist ein Rudel ein Familienverbund, indem die Eltern die Leittiere sind. Wenn in einem Wolfsrudel die Nachkommen geschlechtsreif werden, verlassen sie meist das Rudel, um ihre eigene Familie zu gründen. Damit werden sie zu Leittieren, was sie vorher nicht waren. Genau das Gleiche kann man in größeren Rudeln beobachten, in denen es sogenannte Omegatiere gibt. Dies sind häufig Tiere, die nicht zur Familie gehören und am untersten Ende der Hierarchie stehen. Auch sie wandern oft ab, um irgendwo selbst Nachkommen in die Welt zu setzen. Allein an diesem Beispiel ist erkennbar, dass die Rudelstellung nicht vorherbestimmt ist oder vererbt werden kann. Denn jedes Tier, was eine eigene Familie gründet, wird damit automatisch zum Leittier, selbst wenn es bisher diese Rudelstellung nicht inne hatte. Als Elternteil übernimmt es die Verantwortung für seinen Nachwuchs. Die Welpen folgen den Entscheidungen ihrer Eltern und orientieren sich an ihnen. Dabei spielt es auch keine Rolle, welche Stellung ein Tier in einem anderen Rudel hatte. Der Rang eines Tieres gilt immer nur für ein Rudel und kann nicht auf andere Sozialverbände übertragen werden. Sobald sich die Zusammensetzung der Gruppe ändert, kann sich auch die Stellung der Gruppenmitglieder zueinander ändern.

Ein Hund der in seinem bisherigem Rudel ein Leittier war kann in einem fremden Rudel zu einem Omegatier werden. Welche Stellung ein Tier innerhalb einer Gruppe hat hängt von seinen Fähigkeiten im Verhältnis zu den anderen der Gruppe ab. Deshalb kann selbst der dümmste Wolf zu einem Leittier werden, wenn die anderen in seiner Gruppe noch dümmer sind. Wenn er trotzdem derjenige ist, der die besten Entscheidungen trifft, dann werden ihm die Anderen folgen. Es gibt schließlich keinen anderen, der es besser kann. In einem anderen Rudel kann es hingegen wieder ganz anders aussehen. Gibt es hier erfahrenere und intelligentere Tiere, wird unser dummer Leitwolf es schwer haben auf der Hierarchieleiter nach oben zu steigen. Die genetische Präposition eines Hundes entscheidet also nicht über seine Stellung innerhalb des Rudels, sonst wäre sie nicht veränderbar.

Das, was Leittiere von anderen unterscheidet ist die Fähigkeit Probleme zu lösen. Das wiederum erfordert Erfahrung und die kann nicht vererbt werden. Die Problemlösungsstrategien eines Hundes sind das Ergebnis seiner Lernerfahrung, die er im Laufe seines Lebens gesammelt hat. Erblich veranlagt können die Anzahl der Synapsen im Gehirn eines Hundes sein. Wenn diese neuronalen Verknüpfung jedoch nicht durch die nötigen Lernimpulse genutzt werden verkümmern sie und auch der Hund mit den besten erblichen Voraussetzungen wird später nicht imstande sein die einfachsten Aufgaben zu lösen.

Aber die Diskussion über die Rudelstellung ist auch insoweit überflüssig, weil Hunde nicht per se in einem Rudel leben. Ob sich feste Rangordnungen zwischen Hunden bilden ist immer abhängig von den Ressourcen. Durch eine Rangordnung wird der Zugriff auf Ressourcen dauerhaft geregelt. Sie hat einen klaren biologischen Nutzen und dient der Arterhaltung. Durch eine Rangordnung werden Streitigkeiten und dauerhafte Konkurrenz um Ressourcen vermieden, was wiederum die Anzahl der Beschädigungskämpfe innerhalb eines Rudels minimiert. Werden Ressourcen nicht gemeinsam genutzt, wird sich auch keine Rangordnung bilden. Deshalb findet man unter Straßenhunden eher selten eine feste soziale Struktur, die mit einer Hierarchie in einem Rudel vergleichbar ist. Wenn wir den Anhängern der vererbten Rudelstellung glauben, dann wären all diese Tiere totünglicklich und den ganzen Tag nur damit beschäftigt einen passenden Leit- oder Arbeitshund zu finden.

Wenn Sie Problemverhalten ändern wollen, dann lernen Sie Ihren Hund zu verstehen und vertrauen Sie nicht auf die Theorie von einer vererbten Rudelstellung.

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