Problemverhalten bestrafen
Unter dem Begriff Strafe verstehen wir eine Sanktion aufgrund eines bestimmten unerwünschten Verhaltens. Eine Strafe ist immer eine negative Interaktion, die gegen ein Bedürfnis des Hundes gerichtet ist. Aber nicht jede negative Interaktion wird von unserem Hund auch als Bestrafung empfunden. Am besten lässt sich dies am Beispiel einer Belohnung erklären. Bieten Sie Ihrem Hund für ein erwünschtes Verhalten zum Beispiel ein Stück Futter an und verweigert er Ihr Angebot, ist Futter in diesem Moment auch keine Belohnung.
Wenn Sie nun Ihren Hund von sich wegdrängen, weil sie sich vielleicht in diesem Moment nicht mit ihm beschäftigen wollen, dann bewertet er das Wegdrängen in diesem Moment nicht unbedingt als Bestrafung. Er hat in diesem Moment nur eine Handlungsoption weniger wobei ihm andere Optionen weiterhin offen bleiben.
Wan eine negative Interaktion zu einer Strafe wird hängt davon ab, wie stark ich gegen ein Bedürfnis des Hundes agiere. Dabei wird die Interaktion von jedem Hund anders bewertet und ist abhängig von der Situation und seiner Motivationslage.
Eine negative Interaktion wird erst dann zu einer Strafe, wenn Sie ausreicht, um das gezeigte Verhalten nachhaltig zu beeinflussen.
Auch die Drohung wird oft mit Strafe gleichgesetzt. Die Drohung hat jedoch eine andere Funktion unter Sozialpartnern. Sie kündigt eine Sanktion an, wird aber selbst noch nicht als Strafe wahrgenommen.
Der Hund wird bei einer Drohung in seinem Entscheidungsspielraum nicht eingegrenzt. Er erhält lediglich die Information, das eine unangenehme Konsequenz folgen wird, wenn er sich für ein unerwünschtes Verhalten entscheidet. Hat er mehrerer Handlungsoptionen, wird er sich für die entscheiden, die für ihn die angenehmste Konsequenz hat. Eine Drohung dient der Vermeidung von Bestrafung und gibt dem Hund die Möglichkeit eine Sanktion abzuwenden.
Es liegt in der Natur aller Lebewesen, Fehlverhalten zu bestrafen. Kein Mensch würde sein Kind erziehen, ohne komplett auf Sanktionen zu verzichten. Auch in Wolfsrudeln sehen wir, wenn auch selten, dass Rudelmitglieder für Fehlverhalten bestraft werden.
Ist es also sinnvoll, auch Hunde für Fehlverhalten zu bestrafen? Ja, wenn Sie Fehlverhalten erkennen, können Sie Ihren Hund auch bestrafen. Fehlverhalten ist aber nicht unerwünschtes Verhalten aus Sicht von uns Menschen, sondern falsches Verhalten aus Sicht eines Hundes.
Wenn ein Hund bellt, ist dieses Verhalten vielleicht unerwünscht, aber kein hündisches Fehlverhalten. Ein Hund gibt Lautzeichen, wenn er das Rudel zum Beispiel auf eine Gefahr aufmerksam machen möchte. Dafür können Sie den Hund nicht bestrafen, denn er macht alles richtig.
Wenn ein Hund hinter einem Zaun Passanten und andere Hunde verbellt, schützt er sein Revier. Auch hier wäre eine Bestrafung des Hundes unangemessen.
Das sinnlose Abstrafen des Hundes kann zu aggressivem Abwehrverhalten führen. Aus Sicht des Hundes ist sein Verhalten richtig. Er versteht nicht, wofür er bestraft wird.
Ein Mensch kann Fehlverhalten eines Menschen beurteilen, ein Wolf das eines anderen Wolfes und ein Hund kann Fehlverhalten eines anderen Hundes erkennen. Ein Mensch ist oft nicht in der Lage, Fehlverhalten eines Hundes zu erkennen. Selbst wenn wir meinen, Fehlverhalten erkannt zu haben, wären wir nicht in der Lage, dieses Verhalten artgerecht, zum richtigen Zeitpunkt und angemessen zu bestrafen.
Macht ein Hund, der grundsätzlich stubenrein ist, in die Wohnung, weil er vielleicht unter Durchfall leidet, wird man sehen, dass der Hund sein Verhalten selbst als Fehlverhalten erkennt. Trotzdem wäre es falsch, ihn dafür zu bestrafen. Wir wissen nicht, wann, wie stark und welche Strafe in dieser Situation artgerecht und angemessen wäre, damit unser Hund sie versteht.
Wenn Sie Strafe verwenden, um Verhalten abzustellen, welches Sie als Fehlverhalten interpretieren, setzen Sie das Vertrauen Ihres Hundes aufs Spiel. Versteht Ihr Hund nicht, warum Sie ihn bestrafen, wird er Ihre Nähe künftig meiden, da er nicht einschätzen kann, wann und in welchen Situationen von Ihnen eine Bestrafung erfolgt. Sie werden für Ihren Hund unberechenbar.
Wenn möglich meiden Sie daher in der Erziehung den Einsatz von Bestrafung. Die Gefahr ist sehr hoch, dass Sie die Freude an Ihrem Hund verlieren, weil das Vertrauensverhältnis nachhaltig gestört wird.
In der freien Natur lernen Tiere fast ausschließlich durch Bestrafung. In einem Wolfsrudel wird Fehlverhalten zum Beispiel durch einen Biss geahndet, was dem Tier Schmerzen zufügt. In der Folge wird das bestrafte Tier sein Fehlverhalten künftig unterlassen.
Welpen erlernen die Beißhemmung ebenfalls durch Bestrafung. Auch unter anderen Raubtieren ist diese Art der Konditionierung völlig normal. Die Tiere benötigen meist nur eine schmerzhafte Lernerfahrung, um eine Handlung dauerhaft zu unterlassen oder eine Grenze anzuerkennen.
Häufig sieht man, wie diese Methode auch bei der Erziehung von Hunden eingesetzt wird, um sie zum Beispiel zur Leinenführigkeit zu zwingen. Ihnen wird mit Nadeln in die Nase gestochen, sie werden erschreckt, indem man ihnen Schläuche oder scheppernde Metallscheiben vor die Füße wirft, oder man ruckt so heftig an der Leine, bis der Hund „leinenführig“ ist. Aufgrund dieser Methoden wird der Hund es natürlich meiden, an der Leine zu ziehen. Augenscheinlich ist so also das Problem behoben. Warum ist es trotzdem falsch?
Weil wir damit nicht die Ursache des Problems lösen können. Es hat einen Grund, dass der Hund an der Leine zieht. Kommt zum Beispiel sein Erzrivale um die Ecke, sind Sanktionen schnell vergessen und der Hund zieht wieder an der Leine. Ihm ist in dieser Situation egal, ob Sie dann mit irgendwelchen Dingen nach ihm werfen, ob Sie an der Leine zerren oder ihn mit Kommandos bombardieren. Dauerhaften Erfolg haben Sie nur dann, wenn Sie die Ursache des Problems lösen (s. „Das Alpha-Projekt“, R. Labjon, 2011).
Wenn selbst Hunde untereinander durch Bestrafung lernen, warum setzen wir sie dann nicht zur Erziehung unseres Hundes ein?
Zum einen sind wir meist nicht in der Lage, hündisches Fehlverhalten richtig zu ahnden, und zum anderen haben wir andere Ansprüche an das Zusammenleben mit unserem Vierbeiner, als es Hunde untereinander es haben.
In einem Rudel erfüllt jedes Tier eine Aufgabe und ist somit Teil der Überlebensstrategie der Gemeinschaft. Jeder ist auf den anderen angewiesen und darauf, dass das gesamte Rudel als Jagdwaffe funktioniert. Unterordnung und die Einhaltung von Regeln sind dafür Grundvoraussetzung.
Wir Menschen brauchen unseren Hund nicht zum Überleben. Für uns ist er lediglich ein weiterer Sozialpartner. Er ist ein Familienmitglied und ein Begleiter in unserem Leben. Unser Hund soll sich uns gerne anschließen und sich bei uns wohlfühlen. Wir möchten, dass er gerne unsere Nähe sucht und sich von unseren Kindern streicheln lässt. Er soll keine Aggression gegen uns und unsere Familienmitglieder zeigen.
Damit unser Hund dieses Vertrauen entwickeln kann, muss er lernen, dass von uns keine Bedrohung ausgeht.
Er kann die Strafe oft nicht verstehen und wird sich aus reinem Selbstschutz dann eher von uns abwenden. Wir werden für ihn zu einer Bedrohung, wenn wir unsere Erziehungsdefizite und unsere Ungeduld mit körperlicher Gewalt zu lösen versuchen.
Es kommt oft genug vor, dass wir unseren Hund unbewusst bestrafen. Halten wir eine Belohnung zurück oder erschreckt sich unser Hund, kann das für ihn bereits eine Bestrafung sein. Deshalb sollte es unser Ziel sein, in der Erziehung unseres Hundes auf den bewussten Einsatz von Strafe zu verzichten.
Mehr zum Thema können Sie in unserem Buch
„Das Alpha Projekt“ nachlesen.
Ralf Moritz (30. Juni)
Wir haben selbst in Hundeschulen erlebt, dass mit Bestrafung (Alphawurf, Leinenruck etc. gearbeitet wird). Wir mussten erkennen, dass viele Hundeschulen offenbar nicht in der Lage sind, den Hundehaltern beizubringen, wie sie unerwünschtes Verhalten in Zusammenarbeit mit ihrem Hund positiv zu ändern.
Ihr Buch war und ist hier für uns eine unschätzbare Hilfe. Vielen Dank!
Andrea Schuricke (17. September)
Hallo! Ich bin Gott sei dank in einer unglaublich guten Hundeschule. Wir gehen gerne dorthin und freuen uns immer wenn Hundeschule ist:-) Gegenseitiges VERTRAUEN ist ein geschenk! Ich lerne es gerade wieder durch meinen Hund Paulo!
Der Kommentar ist wirklich Toll und verständlich. Paulo und Ich machen ende November unsere 1. Hundeprüfung und ich glaube dass das Buch mir/uns sehr helfen kann gut durch die Prüfung zu kommen und um einfach zu verstehen !
Mit freundlichen Grüßen
Andrea Schuricke mit andalusischem Mischling Paulo Ich bestelle mir das Buch:-)