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Ist das Verhalten unserer Hunde abhängig von ihrer Rasse?

Hundekontakt

Ist ein Hund beispielsweise aggressiv, besonders ängstlich oder hyperaktiv wird sein Verhalten häufig mit seiner Rasse begründet. Meist handelt es sich dabei jedoch um erlerntes Individualverhalten oder um arttypisches hündisches Verhalten.

Ob es rassespezifisches Verhalten bei Hunden gibt, ist zum einen davon abhängig, ob Verhalten überhaupt vererbbar ist und zum anderen, ob es auch tatsächlich vererbt worden ist.

Um der Eingangsfrage auf den Grund zu gehen machen wir einen kleinen Abstecher in die Genetik.

Die Gene sind eine Art Bauplan des Körpers. Auch die Ausbildung der Gehirnareale sowie Teile des Neurotransmitter-stoffwechsels sind durch unsere Gene festgelegt. Jedes Verhalten wird vom Gehirn gesteuert und ist daher zu einem Teil auch durch das Genom vorbestimmt.

In der Verhaltensgenetik unterscheidet man zwischen artspezifischem Verhalten, Rasseverhalten und individuellem Verhalten. Artspezifisches Verhalten ist das, welches bei allen Individuen der Art vorhanden ist. Bei einem Hund ist das beispielsweise das Fortpflanzungsverhalten oder das Territorialverhalten. Aber auch Instinktverhalten wie Flucht-, Angst- oder Schutzverhalten sind arttypisch und Unterscheiden sich von Art zu Art. Ein Fluchttier, wie beispielsweise ein Pferd, wird bei einer Gefahr anders reagieren als ein Hund. Dieses Verhalten ist fest in der Art verankert und nicht reversibel.

Vererbbares Verhalten ist wenig komplex. Einfachste Verhaltensmuster, Reflexe oder bestimmte Veranlagungen sind vererbbar. Komplexe Verhaltensweisen, wie beispielsweise das Hüteverhalten eines Border-Collies, sind nicht vererbbar. Wohl aber kann er die neuronalen Veranlagungen erben dieses Verhalten schneller zu erlernen als andere Hunde. Sie erinnern sich, Gene sind für die Ausbildung der Hirnareale verantwortlich und haben damit Einfluss auf dass was ein Gehirn leisten kann (nicht, was es später leisten wird).

Ererbtes Artverhalten ist sehr stabil, da es sich über mehrere Millionen Jahre durch natürliche Selektion geformt und gefestigt hat. Stabil vererbte Verhaltensmerkmale haben eine hohe Dominanz oder sind sehr reinerbig (homozygot).

Die heute bekannten Hunderassen wurden durch den Menschen selektiert und sind im Vergleich zur Art sehr jung. Viele Rassen sind nur wenige Hundert Jahre oder gerademal einige Jahrzehnte alt. Das bedeutet, dass rassetypisches Verhalten instabiler vererbt wird als das Artverhalten. Rassespezifisches Verhalten ist so instabil, dass es nur durch permanente und gezielte Selektion erhalten bleibt. Ursprüngliches Rasseverhalten geht relativ schnell verloren, wenn sich Selektionskriterien bei der Zuchtauswahl ändern.

Die hohe Instabilität von rassespezifisch vererbten Verhalten führt dazu, dass es durch Umwelteinflüsse überlagert werden kann. Ererbte Schwächen des Hundes können so verdeckt werden. Ein beispielsweise ängstlicher oder schreckhafter Hund kann durch eine gute Sozialisierung selbstbewusster werden und sich damit für die Zucht empfehlen, obwohl er aus genetischer Sicht vielleicht eher ungeeignet dafür wäre. Bei der Auswahl der Zuchttiere ist daher oft nicht feststellbar, ob ein Verhalten ererbt, erlernt oder durch Umwelteinflüsse geprägt wurde.

Die Unterschiede in der genetischen Grundausstattung innerhalb einer Rasse sind heute größer als beispielsweise noch vor 50 Jahren. Damals wurden Hunde zumeist zu einem bestimmten Zweck gezüchtet. Die Selektion erfolgt nach gleichen Kriterien immer mit Blick auf die spätere Nutzung. Heute spielt der Hund, der früher ein reiner Arbeiter war, eine andere Rolle. Der Wandel der Zeit brachte auch ein Wandel des Rasseverhaltens mit sich, wie von Kenth Svartberg bei einer Datenerhebung von 13.000 Hunden aus 31 Rassen bestätigt wurde (Svartberg, K. (2006) Breed-typical behaviour in dogs - Historical remnants or recent constructs? Applied Animal Behaviour Science. 96, 293–313). Svartberg stellte eine erhebliche Divergenz der Verspieltheit, Aggressivität, Ängstlichkeit, Geselligkeit und Arbeitsveranlagung innerhalb der jeweils untersuchten Rassen fest und zeigte, dass sich die Rassen nicht wesentlich in ihrem Verhalten unterscheiden. Grund hierfür ist die Durchmischung von Hunden mit verschiedensten Wesensmerkmalen innerhalb einer Rasse.

Umso jünger ein selektiertes Verhalten ist, desto höher wird der Grad an Heterozygotie (Mischerbigkeit) bei diesen Hunden sein und desto instabiler wird ein Verhalten vererbt. Durch die Instabilität erfolgt die Vererbung weniger dominant, sodass sich bereits innerhalb eines Wurfes eine große Variationsvielfalt an Verhalten zeigt, welches je nach Individuum bereits stark vom ursprünglich rassetypischen Verhalten abweichen kann. Werden diese Verhaltensvariationen weitervererbt, kann das ursprünglich rassetypische Verhalten bereits in ein bis zwei Generationen gänzlich verschwinden.

Die Durchmischung von unterschiedlichen Wesenseigenschaften innerhalb einer Rasse ist mittlerweile sehr häufig zu beobachten und vielleicht auch notwendig geworden. Die Zuchtselektion nach strengen Rassestandards verkleinert den Genpool einer Rasse mit jeder Generation enorm. So führt Rassezucht schnell in eine genetische Sackgasse. Daher bleibt meist keine andere Wahl auch weniger wesensfeste Hunde zur verpaaren. Über kurz oder lang wird es nicht ausbleiben dass es bei einigen Rassen sogar zu Einkreuzungen rassefremder Hunde kommen muss, da der Genpool der Rassen bereits am Ende ist. Einige Hunderassen, wie zum Beispiel der Malthound sind aufgrund der Probleme, die ein extrem eingeschränkter und kranker Genpool mit sich bringt, bereits ausgestorben.

Es wird daher immer weniger Rassehunde geben, die der Wesensbeschreibung ihres Rassestandards entsprechen. Selbst heute sind die Verhaltensweisen von rassegleichen Würfen verschiedener Züchter kaum miteinander vergleichbar. Die Selektionskriterien haben sich in den letzten Jahrzehnten stark geändert. Nicht zuletzt weil der Hund mehr und mehr zu einem Produkt geworden ist, mit dem Geld verdient wird. Auch der gesellschaftliche Wandel, die geänderten Anforderungen an unseren Hund und der Wunsch nach gesunden Hunden führen zu Veränderungen der Selektionskriterien.

Der fehlende Selektionsdruck führt dazu, dass es heute nahezu kein Verhalten mehr gibt, welches für eine gesamte Rasse gültig ist und sie allumfassend beschreibt. Wenn überhaupt können wir einigen wenigen Zuchtlinien bestimmte Wesenseigenschaften bescheinigen, die jedoch längst nicht mehr auf die gesamte Rasse übertragbar sind.

Betrachten Sie deshalb jeden Hund wie er ist und nicht wie er laut Rassestandard sein sollte. Was aus Ihrem Hund wird, liegt in Ihren Händen. Es gibt keine Einheitshunde und das ist meiner Meinung nach auch gut so.

Mehr zum Thema können Sie in unserem Buch „Das Alpha Projekt“ nachlesen.

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